Obligatorische Fragen

Sind Nackthunde Qualzucht?

Eine Jahrzehnte währende Frage – und die Antwort findet ihr hier:

1. Welche Nackthunderassen gibt es?
Es gibt momentan drei von der FCI anerkannte Rassen:
1. Mexikanischer Nackthund (Xoloitzcuintle, Varianten Hairless und Coated, drei Größen), FCI-Nr. 234
2. Chinesischer Schopfhund (Chinese Crested Dog, Varianten Hairless und Powder Puff), FCI-Nr. 288
3. Peruanischer Nackthund (Perro Peruano, Varianten sin pelo und con pelo, drei Größen), FCI-Nr. 310
Sie stammen aus Lateinamerika. (Auch der Chinesische Schopfhund stammt aus Amerika. Die Übersetzung von „Perro chino“ bedeutet ebenso Indischer bzw. Indianischer Hund.) Die „Nackthunde“ gibt es mit und ohne Fell.

2. Sind das moderne Hunderassen?
Es handelt sich um alte Nutztiere, die seit über 2.000 Jahren existieren. (Dazu gibt es Forschungsergebnisse in Mexiko, Guatemala, Ecuador und Peru.)

3. Warum haben diese Hunde kein Fell?
Fehlendes Fell ist eine häufig anzutreffende Mutation bei Säugetieren (z.B. Menschen, Katzen, Meerschweinchen, Nacktmulle, Nacktfledermäuse, Wale, Walrosse, Seekühe, Flusspferde, Elefanten).
Die Haarlosigkeit bringt in tropischen und subtropischen Gebieten vermutlich Vorteile, denn Fell ist bei Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und vielen Ektoparasiten eher lästig.

4. Wie sieht ihr Vererbungsschema aus?
Es gibt drei Möglichkeiten:
1. Haarloser Hund x Haarloser Hund
50% des Wurfs sind haarlos (Hh, heterozygot),
25% des Wurfs sind behaart (hh, homozygot rezessiv) und
25% des Wurfs (HH, homozygot dominant) sterben vor der Geburt und werden resorbiert (Semiletalfaktor).
Ergebnis: 2/3 des Wurfs sind haarlos (Hh, heterozygot) und 1/3 ist behaart (hh, homozygot rezessiv).
H h
H (HH) Hh
h Hh hh
Ein Letalfaktor soll in der Zucht vermieden werden, kommt aber öfter vor (z.B. Black Velvet-Chinchillas, Hauben-Kanarienvögel, Zwergkaninchen, Gelbe Mäuse, Dalmatiner- und Schimmel-Meerschweinchen).
Fehlende Zähne treten bei haarlosen Hunden auf, weil die embryonale Entwicklung von Fell und Zähnen gekoppelt ist. (Heute sind viele Rassehunde nicht vollzahnig, haben aber keine Einschränkungen dadurch.)

2. Haarloser Hund x Behaarter Hund
50% des Wurfs sind haarlos (Hh, heterozygot) und
50% des Wurfs sind behaart (hh, homozygot rezessiv).
H h
h Hh hh
h Hh hh

3. Behaarter Hund x Behaarter Hund
100% des Wurfs sind behaart (hh, homozygot rezessiv).
h h
h hh hh
h hh hh

5. Was ist Qualzucht?
„Qualzucht“ bezeichnet die Zucht mit Zuchtzielen, die den Tieren Schmerzen oder Leiden, also Qualen, verursachen (z.B. Atemnot durch Brachyzephalie bei Möpsen und Bulldoggen). Sie ist definiert im TierSchG §11b und im Gutachten zur Auslegung von §11b (Verbot von Qualzüchtungen).

6. Sind Nackthunde Qualzucht?
Es gibt kein Zuchtziel, das Qualen verursacht, und es ist unerforscht, ob die Hunde unter irgendetwas leiden. Fehlendes Fell ist keine „Abnormalität“ (WUFF-Hundemagazin 12/2015) und kein „Problem an sich“ (TVT-Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz 2017), sondern eine häufig anzutreffende Mutation.
Es handelt sich nicht um moderne Extremzuchten, sondern um alte indigene Nutztierrassen. Die Hunde haben über Jahrhunderte hinweg harte Zeiten überstanden.
Die Nackthunde haben keine gesundheitlichen Einschränkungen (z.B. Thermoregulation, Immunkompetenz) und können sehr gut mit Artgenossen kommunizieren. Sie haben Vibrissen und vorteilhafte Proportionen. Eine erhöhte Empfindlichkeit gegen Allergien, Sonnenbrand oder Verletzungen liegt nicht vor.
Der Semiletalfaktor tritt nur bei der Kreuzung von zwei haarlosen Hunden auf. Fehlende Zähne treten nur bei haarlosen Hunden auf. Die Hunde haben keine Gebissfehlstellungen als generelles Merkmal.

7. Einige Zitate
„Wichtiger noch als dieser Name des nackten Hundes ist die Thatsache, daß er in größerer Anzahl als jede andere Raße über das ganze, warme Südamerika verbreitet ist, obschon er, seiner Häßlichkeit und Unbrauchbarkeit wegen, gering geschätzt wird und man also seine Vermehrung eher zu hindern als zu begünstigen sucht.“
(Johann Rudolph Rengger, Naturforscher, 1830)

„Auf alle Fälle ist die Verminderung der Vitalität bei Nackthunden nur sehr gering und kann nicht zur Erklärung der Tatsache herangezogen werden, daß Nackthunde bis jetzt nur in wärmeren Klimaten aufgetreten sind.“
(Prof. Ludwig Plate, Zoologe, 1931)

„Nackthunde gibt es schon seit mindestens 3700 Jahren und vermutlich gehen die heutigen Rassen, wie zum Beispiel chinesische Schopfhunde, alle auf den mexikanischen Nackthund (Xoloitzcuintle) zurück. Der Xoloitzcuintle wurde von den Azteken als heiliger Hund verehrt, und die ältesten Statuen von Nackthunden wurden auf 1700 v. Chr. datiert. Auch dem berühmten Biologen Carl von Linné fielen die Nackthunde auf. Er hat sie im Jahre 1758 in seinem Werk über die Systematik der Arten als Canis aegyptius beschrieben.“
(Forschungsmeldung der Universität Bern, Prof. Tosso Leeb, Genetiker, 2008)

„Es ist schwer, über eine unausweichliche Tatsache bei haarlosen Hunden hinwegzusehen. Folglich scheitern viele Beobachter daran, ihr schönstes Merkmal schätzen zu lernen. Seit Jahrtausenden trotzen sie ablehnenden Äußerungen über ihre genetische Fitness, überleben und gedeihen in Situationen, die den Niedergang anfälligerer Rassen bedeuteten.“
(Amy Fernandez, Präsidentin des Xoloitzcuintli-Club of America, 2010)

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass amerikanische Hunde ein Rest der ursprünglichen amerikanischen Kultur sind. Das zeigt, wie wichtig es ist, ihre Populationen zu erhalten.“
(Dr. Peter Savolainen, Evolutionsgenetiker, 2013)

„Was die gesundheitlichen Konsequenzen der Haarlosigkeit betrifft, muss man sich vor Augen halten, dass sowohl die südamerikanischen Nackthunde als auch die chinesischen, sehr alte Rassen sind, die sich über unzählige Generationen zum Teil unter ganz natürlichen Selektionsbedingungen erhalten haben. Wenn die Haarlosigkeit tatsächlich mit massiven Einschränkungen der Vitalität verbunden wäre, wäre bei einem dominanten Gen davon auszugehen, dass es aus der Population längst verschwunden wäre.“
(Prof. Irene Sommerfeld-Stur, Populationsgenetikerin, 2016)

„Nackthunde wie der Chinesische Schopfhund oder der Mexikanische Nackthund gehören zu den ältesten Hunderassen weltweit und sind bereits den großen Naturforschern Carl von Linné und Charles Darwin aufgefallen. […] Interessanterweise besitzen auch einige wildlebende Vertreter der Hundeartigen ähnliche Molaren wie die Nackthunde.“
(Forschungsmeldung der Universität Jena, Prof. Martin S. Fischer, 2017)

8. Quelle
Simone Neusüß und Luis Tovar Schoener, Chinese Crested, Viringo und Xoloitzcuintle. Die Hunde der Inka, Maya und Azteken, Books on Demand, 2018.